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20 Jahre ZEBAU Teil 8: Quartiere im Fokus

Typisches Klinkergebäude in Kiel Elmschenhagen-Süd

Historisches Gebäude im Beamtenviertel Brunsbüttel

Wohnungsbau in Bergedorf-West

Wohnungsbau im Quartier Op’n Hainholt

Exemplarische Herangehensweise

Die Diskussion um die im Quartier beginnende Energiewende ist schon einige Jahre alt. In diesem Kontext ist es von besonderer Bedeutung, städtische Quartiere fit für die Zukunft zu machen. Dabei muss der Blick über das einzelne Gebäude hinausgehen und die einzelnen Elemente des Quartiers im Kontext betrachtet werden. Herangehensweisen wie Vernetzung, Kooperation und die Nutzung von Synergien sind hierbei elementare Stichworte. In der ZEBAU betrachtete man die Zusammenhänge von Quartiersansätzen und Klimaschutzzielen schon seit Anfang an. Bereits die Standorte der Solarbauausstellung 2005 wurden als 100% erneuerbar versorgt ausgerichtet (siehe Teile 3 und Teil 4). Mit dem ersten bearbeiteten energetischen Quartierskonzept in Kiel-Elmschenhagen begann eine inzwischen siebenjährige Entwicklung und der Aufbau eines Portfolios an unterschiedlichen Beratungsdienstleistungen. Im Jahr 2019 entstand mit dem Geschäftsbereich „Quartiere & Kommunen“ unter der Leitung von Dipl.-Ing. Jan Gerbitz eine eigene Abteilung in der ZEBAU, die inzwischen zahlreiche Quartiere in den nördlichen Bundesländern begleitet. 

Mit dem 2011 gestarteten KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung“ wird der energetische Sanierungsprozess vom Einzelgebäude hin zum Quartier erweitert. Die Quartierskonzepte und das Sanierungsmanagement, das Planung und Realisierung der in den Konzepten vorgesehen Maßnahmen begleitet und koordiniert, leistet zur Steigerung der Energieeffizienz der Gebäude und der Infrastruktur einen wichtigen Beitrag.

Durch die Verknüpfung unterschiedlicher Handlungsansätze eröffnet die energetische Stadtsanierung vielfältige Möglichkeiten weitere Ziele der integrierten Stadtentwicklung voranzubringen. So können Maßnahmen zur energieeffizienten Sanierung des Gebäudebestands mit klimagerechter Mobilität, der Reduzierung von Barrieren sowie Grün- und Freiraumentwicklung zusammengedacht werden. Im Sinne einer „Kultur der energetischen Stadtsanierung“ sollen integrierte und ganzheitliche Strategien zum Standard einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung für eine zukunftsfähige Entwicklung von Quartieren und klimabewusstem Verbrauchsverhalten werden.1

Der Beratungsansatz wurde durch die ZEBAU gemeinsam mit dem Büro Averdung Ingenieure & Berater aufgenommen und in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt. Seitdem verbindet die beiden Büros eine erfolgreiche langjährige und enge Zusammenarbeit in zahlreichen weiteren Projekten, wie in den Städten Brunsbüttel, Bad Segeberg, Buxtehude, Neumünster und Eutin sowie den Hamburger Quartieren Bergedorf-West sowie Iserbrook/Sülldorf im Bezirk Altona.

Die ZEBAU verantwortet in diesen Konzepten zumeist die Themen der energetischen Gebäudemodernisierung, der klimafreundlichen (Quartiers-)Mobilität, den Bereich der Klimafolgenanpassung und Biodiversität und entwickelt Bausteine der Akteursbeteiligung und der Öffentlichkeitsarbeit, während das Büro Averdung die Themen der energetischen Potenziale erneuerbarer Energien und der Wärmeversorgung betrachtet.

Die entwickelten Konzepte werden anschließend entweder durch geförderte Quartiersmanager der Stadtverwaltung oder der Stadtwerke oder in einigen Fällen durch ZEBAU und Averdung selbst als „Sanierungsmanagement“ umgesetzt.

Im Jahre 2015 wurde für das Quartier Kiel Elmschenhagen-Süd ein energetisches Quartierskonzept fertiggestellt. Herausforderung in dem Quartier ist die energetische Modernisierung bei gleichzeitigem Erhalt des typischen Stadtbildes der Klinkerfassaden. Das Konzept wurde zwischen 2015 und 2021 durch ein Sanierungsmanagement aus ZEBAU, Averdung und dem lokalen Partner Jasper Harten umgesetzt, so dass bereits zahlreiche Einzelprojekte realisiert werden konnten. Seit 2018 wurden die Handlungsfelder um das Thema Quartiersmobilität ergänzt.
Mehr dazu auf www.kiel.de

Für das Quartier Koogstraße/Beamtenviertel in Brunsbüttel wurde im Jahr 2017 ein energetisches Quartierskonzept entwickelt. Schwerpunkte waren die Modernisierung des historischen Beamtenviertels im Rahmen der Förderung „städtebaulicher Denkmalschutz“ sowie die Entwicklung eines Nahwärmenetzes zur Nutzung industrieller Abwärme. Das Konzept wird von 2019 bis 2021 durch ein Sanierungsmanagement aus ZEBAU und Averdung in Kooperation mit dem Sanierungsträger umgesetzt. Eine Verlängerung ist geplant.
Mehr dazu auf www.brunsbuettel.de und www.sanierung.brunsbuettel.de

Für das Hamburger Quartier Bergedorf-West wurden in Zusammenarbeit mit den lokal ansässigen Wohnungsunternehmen Bergedorf-Bille eG, SAGA Unternehmensgruppe und Schiffszimmerer Genossenschaft eG eine zukunftsorientierte, nachhaltige Wärmeversorgungslösung für das Quartier aus Geothermie und innovativer Kraftwärmekopplung, Energieeinsparpotentiale an Gebäuden und klimafreundliche Mobilitätsangebote entwickelt, die nun u.a. durch das Quartiersmanagement der Städtebauförderung umgesetzt wird.
Mehr dazu auf www.hamburg.de/klimaschutz-bergedorf

Für die Quartiere Op‘n Hainholt und Schenefelder Holt in Iserbrook/Sülldorf im Bezirk Hamburg-Altona wurden seit Sommer 2020 zwei Konzepte erarbeitet, die vor einigen Tagen der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Auch hier wurden gemeinsam mit den Wohnungsunternehmen Bauverein der Elbgemeinden und SAGA Unternehmensgruppe konkrete Konzepte und Maßnahmenbausteine für eine klimafreundliche Wärmeversorgung u.a. unter Nutzung von Abwärme und Abwasserwärme sowie die Bereiche Gebäudemodernisierung, Quartiersmobilität und Klimafolgenanpassung entwickelt, deren Umsetzung nun durch eine Sanierungsmanagerin des Bezirksamtes Altona begleitet wird.
Mehr dazu auf www.hamburg.de/altona/

Bei der Entwicklung aller Konzepte aber spätestens im Rahmen des Sanierungsmanagements ist der direkte persönliche Kontakt zu den Gebäudeeigentümer*innen essenziell. So können kostenlose Initialberatungen auf die Konzeptentwicklung hinweisen und somit die Aufmerksamkeit heben. Außerdem bietet das direkte Gespräch mit Immobilieneigentümern weitere Informationen zur generellen Modernisierungsmotivation und den sozialen und finanziellen Rahmenbedingungen.

Für die Ermittlung des Energieeinsparpotenzials des Gebäudebestandes sind im Rahmen der Konzeptentwicklung oftmals Steckbriefe und „Mustersanierungskonzepte“ der typischen Gebäude des Quartiers vorgesehen. Diese werden für eine gewisse Anzahl von exemplarischen Gebäuden erstellt, die zusammen einen Großteil des gesamten Bestandes abbilden. Die Potenziale werden dabei zumeist analog zum Prozess einer geförderten Energieberatung für Wohngebäude (individueller Sanierungsfahrplan) ermittelt.

Die ermittelten Effizienzpotenziale werden auf das Gesamtquartier skaliert, so dass Szenarien des zukünftigen Wärmebedarfes als Grundlage für die Entwicklung und Auslegung der Wärmeversorgungslösungen sowie des „Transformationspfades“ des gesamten Areals dienen.

Der Bereich Mobilität und damit die Fortbewegung inner- und außerhalb eines Quartiers wird in den letzten Jahren bei der Entwicklung von Quartierskonzepten verstärkt betrachtet. Zentrale Zielstellungen sind hierbei die Reduzierung des MIV (motorisierter Individualverkehr) und die Stärkung des Umweltverbundes aus nicht motorisierten Verkehrsträgern (Fußgänger und öffentliche oder private Fahrräder), öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn, Bus und Taxis), sowie Carsharing und Mitfahrangeboten. Die Etablierung oder Sicherung sozialer Infrastruktur sowie der Nahversorgung stellt dabei die Grundlage dar, eine fußläufig zu nutzende „Stadt der kurzen Wege“ zu entwickeln und den „Umweltverbund“ zu stärken.

Konkrete Maßnahmen können beispielsweise der umfassende Ausbau von Radwegenetzen sein, die Schaffung von Sharing-Angeboten (Bike-Sharing, Car-Sharing oder auch Ride-Sharing), oder auch die Etablierung von E-Mobilitätsstrukturen mit entsprechender Ladeinfrastruktur. 

So konnte beispielsweise bei den in der Fertigstellung befindlichen Quartierskonzepten in Hamburg Iserbrook/Sülldorf durch die Vermittlung zwischen Mobilitätsdienstleister und Wohnungsbauunternehmen ein neues Carsharing-Angebot initiiert werden.

Vor allem im Zuge des Klimawandels und der damit einhergehenden Folgen ist es von großer Bedeutung, das Thema Klimaanpassung ebenfalls in den Fokus der Quartiersplanungen zu rücken. Infrastrukturen müssen an Klimawandelfolgen wie Starkregenereignisse und Hitzewellen angepasst sein, um deren negativen Effekte entsprechend mindern. Beispielhaft genannt werden kann die Gebäudebegrünung von Dächern und Fassaden, die eine positive Wirkung auf das Mikroklima in Quartieren hat und die Regenrückhaltung unterstützt. Zu einer wassersensiblen „Schwammstadt“ gehört darüber hinaus die Entsiegelung von Flächen und ein Regenwassermanagement mit unterschiedlichen Versickerungsflächen und multicodierten Räumen.

Wichtige Bausteine der Konzeptentwicklung und der anschließenden Umsetzung sind verschiedene Formen der Öffentlichkeitsarbeit und Akteursbeteiligung. Diese werden jeweils auf die Quartiere und deren Bewohner:innen angepasst und reichen von der Gestaltung von Websites, Flyern und Quartierszeitungen bis zu Informationsveranstaltungen und besonderen Aktivierungsaktionen. Bereits mehrfach wurden auf Thermografie-Rundgängen Gebäude mit offensichtlichen Energieverlusten aufgespürt, am Postillionweg in Kiel bei einem „Energiespar-Bingo“ LED-Leuchtmittel und weiteres Equipment verlost und in Neumünster bei Sturm und Regen ein „Klima-Straßenfest“ unterstützt. Wegen der Corona-Pandemie wurden viele Veranstaltungen der letzten anderthalb Jahre entweder in den digitalen Raum verlegt oder auch parallel hybrid mit einer begrenzten Anzahl von Teilnehmern vor Ort durchgeführt. Quartiersrundgänge wurden virtuell durchgeführt und Aktionsstände zu „digitalen Sprechstunden“ umfunktioniert.

Die Beispiele zeigen, dass sich der Quartiersansatz in den letzten Jahren weiterentwickelt hat: von der Wandlung der reinen Einzelbetrachtung des Gebäudeenergiebedarfes zur Entwicklung von quartiersweiten Energiekonzepten und der Nutzung regenerativer Ressourcen über die Kopplung der Sektoren Wärme, Strom und Mobilität bis zur Integration der Themenfelder Ressourcenschonung, Lebenszyklusbetrachtung, Klimaanpassung und Biodiversität.

Die ZEBAU wird wie in den letzten Jahren diese umfassende Betrachtung auf dem Weg zu klimafreundlichen Quartieren und einer Transformation des urbanen und des ländlichen Raumes unterstützen und diese mit entsprechenden Beiträgen mitgestalten.

Lesen Sie im Newsletter September 2021 dann: Teil 9: Gebäude: rund um Planung und Ausführung 

Jan Gerbitz und Peter-M. Friemert, im August 2021

1 Begleitforschung Energetische Stadtsanierung (2019), URL: https://www.energetische-stadtsanierung.info

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Am 26. August 2021 erwartet Sie dann unsere Geburtstagsfeier "20 Jahre ZEBAU", welche wir zum Anlass nehmen, um gemeinsam mit dem Klimaforscher Prof. Dr. Mojib Latif und Prof. Dr. Daniel Klingenfeld (Umweltbundesamt) über Klimawandel, Klimaziele und Handlungsperspektiven für alle zu diskutieren. Wir freuen uns, Sie alle an diesem besonderen Tag dabei zu haben. Jetzt anmelden!