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Holzbau in Norddeutschland – Potential und Hemmnisse

Der Holzbau fristete im norddeutschen Raum über einen langen Zeitraum eher ein Schattendasein: Wer die wegweisenden Großprojekte in Holz suchte, hat diese entweder in den Alpenanrainern, in Skandinavien oder vielleicht in London gesucht. In Deutschland befanden sich bisher die interessanten Projekte eher im Süden und einige urbane Bauten in Berlin. Doch nun vollzieht sich ein bemerkenswerter Wandel. In Hamburg treiben die IBA Hamburg, das Hamburger Holzbauforum und die Stadt Hamburg den Holzbau voran. 

Mit den realisierten Projekten der IBA Hamburg, die von fast einer halben Million Menschen im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Hamburg 2013 besucht wurden, konnte sich der Holzbau in Norddeutschland stärker positionieren. Obwohl der Holzbau nicht explizites Bauthema der Ausstellung war,  ergaben sich aus den konkreten Bauaufgaben die unterschiedlichen Konstruktionsarten für einen Teil der ein Dutzend Holzbauprojekte. Dem Ziel der „Smart Price Houses“ sollte mit vorgefertigten Systemelementen aus Holz entsprochen werden. Für die „Hybrid Houses“ war die Flexibilität der leichten Konstruktion und die Möglichkeiten zur Nutzungsänderung zwischen Wohnen und Gewerbe und zugehöriger Grundrissänderungen entscheidend. Bei wiederum anderen Projekten sollten ehrgeizige energetische Standards durch hohe Dämmstandards bei schlanken Bauteilaufbauten und möglichst hoher Luftdichtigkeit und Wärmebrückenfreiheit durch passgenaue Vorfertigung erreicht werden. 

Bekannte Beispiele sind der nahezu schadstofffrei errichtete Woodcube und das Wälderhaus, ein Hotel mit Gastronomie und  Ausstellung zum Thema „Wald“. Das Wälderhaus wurde in den unteren beiden Geschossen auf Grund von Auflagen in Stahlbetonbauweise errichtet, in den oberen drei Etagen in Massivholzbauweise. Der Woodcube wurde als eines der „Smart Material Houses“ in der Wilhelmsburger Mitte errichtet. Außer dem Treppenhauskern aus Stahlbeton besteht das Gebäude in leimfreier Holzmassivbauweise aus gedübelten Brettsperrholzelementen. Auf die Verwendung von Folien und weiteren Abdichtungen wurde verzichtet, die Dämmung besteht aus Holzfaserplatten. 

Außerhalb der IBA entwickelten sich die viergeschossigen Mehrfamilienhäuser der Plan_A Baugemeinschaft als weiteres Holzprojekt im norddeutschen Raum. Die drei Gebäude wurden 2013 im Quartier des ehemaligen Güterbahnhofs in Hamburg-Barmbek für 11 Familien einer Baugemeinschaft errichtet. Sie bestehen mit Ausnahme des Stahlbeton-Treppenhauskerns und des Kellergeschosses aus Brettsperrholz. 

Die Stadtwerke Lübeck zogen in Europas derzeit größtes Verwaltungsgebäude in Holz-Bauweise. 2014 wurde es in Holzmassivbauweise errichtet, als Holzskelett-Konstruktion, kombiniert mit Dachelementen und Decken aus Brettsperrholz sowie Holzrahmenbau-Außenwänden als Gebäudehülle. 

Aufgrund seines geringen Gewichts ist die Holzbauweise insbesondere für Aufstockungen interessant. Allein in Hamburg gibt es ein Aufstockungspotential gemäß der „Deutschland-Studie 2015 – Wohnraumpotentiale durch Aufstockungen“  von über 80.000 Wohnungen. In vielen Stadtteilen sind entsprechende Bauvorhanden in der Planung, im Bau oder aber bereits fertiggestellt, wie das prominente Beispiel der 1,5-geschossigen Aufstockung an der Bebelallee, bereits 2010 fertiggestellt. Hier gestalteten Blauraum Architekten sechs Wohnblöcke aus den 1950er Jahren in ein attraktives Ensemble um – bestehend aus einem zweigeschossigen Bestandsmassivbau in hellem Mauerwerk und einer Holzrahmenaufstockung mit Holzschindel-Fassade.

Geholfen bei dieser norddeutschen Entwicklung haben dabei sicherlich auch die Netzwerke und Fachforen rund um das Thema Holzbau, wie das mindestens viermal jährlich stattfindende Hamburger Holzbauforum. Seit über 5 Jahren tauschen sich dort Fachleute über Herausforderungen und Möglichkeiten des modernen Holzbaus im großstädtischen Kontext aus. Referenten informieren in Vorträgen über Erfahrungen und Neuerungen, die von Zeit zu Zeit mit Baustellenbesuchen ergänzt werden. 

Was bringt die Zukunft? DeepGreen Development GmbH (Hamburg) und das Stuttgarter Architekturbüro architekturagentur planen auf dem Gelände der ehemaligen Röttiger-Kaserne im Süden Hamburgs den Umbau und die Erweiterung eines der Kasernengebäude in altersgerechte Wohnnutzung. Die zum Großteil doppelgeschossigen Aufstockungen sollen in leimfreier Holzmassivbauweise errichtet werden. In unmittelbarer Nähe planen die Hamburger Immobilienberater GbR mit den STLH Architekten im Fischbeker Heidbrook ein vier- bis fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus in Holzbauweise. 

Für die Baugemeinschaft „Tor zur Welt“ soll am Baakenhafen in der HafenCity bis 2019 ein achtgeschossiger Neubau mit 29 Wohneinheiten entstehen. Das Architekturbüro Kaden+Lager, Berlin, das auch bereits im Rahmen der IBA Hamburg das Projekt „Holz 5 1/4“ realisieren konnte, sieht hier vor, einen sechsgeschossigen Holzmassivbau mit Wänden und Decken aus Brettsperrholz mit  Brettschichtholz-Stützen über einem konventionellen Massivbausockel zu errichten. 

Seit Anfang Oktober 2016 wird eines der größten Studentenwohnheime in Holzmodulbauweise in Hamburg-Wilhelmsburg umgesetzt. Mit einem Investitionsvolumen von 35 bis 40 Millionen Euro wird der Entwurf des Berliner Architekturbüros Sauerbruch Hutton mit 371 Micro-Apartments auf 12.000 m² realisiert. Der Investor entschloss sich, hier Holzbaumodule aus Österreich zu verbauen, um eine hohe Kostensicherheit zu erwirken. 

Trotz dieser vielen beispielhaften Vorzeigeprojekte, hadert die private Wirtschaft noch, um richtig Holz nachzulegen: In Flensburg endete kürzlich der vielversprechende Versuch, Deutschlands erstes Holzhochhaus mit bis zu 9 Geschossen zu errichten, durch das Abspringen des Investors. Dieses Ereignis zeigt, dass die Kostenunsicherheit auf der Seite der Projektentwickler ein maßgebliches Hindernis in der städtischen Holzbauentwicklung darstellt. 

Anders in der Politik: Um das Potential des Holzbaus auszuschöpfen, ist die Stadt Hamburg daran interessiert, die baurechtlichen Hemmnisse für den Holzbau – insbesondere in den Gebäudeklassen 4 und 5 – zu lockern. Allen voran arbeitet die Behörde für Umwelt und Energie daran, neben der Prüfung der baurechtlichen Möglichkeiten, Förderungen und Fachberatungen für den Holzbau auf den Weg zu bringen. 

Dennoch ist der Weg weit, bis die urbanen Holzbau-Entwicklungen der Metropolen des europäischen Auslands eingeholt sind, wo bereits Gebäude mit bis zu 24 Geschossen und einigen hundert Wohneinheiten in Holz realisiert werden. Auch die Landespolitik hat in Norddeutschland noch einiges zu leisten: Neben den Landesbauordnungen ist eines der größten Hemmnisse des Holzbaus die mangelhafte Ausbildungsmöglichkeit der erforderlichen Fachplaner an Universitäten und Fachhochschulen. Entgegen dem Trend in der Bauwirtschaft werden dort die Kapazitäten seit Jahren abgebaut.