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Effiziente Gebäude 2019: Drei Fragen an…

… den Architekten Gianrico Settembrini, der am Institut für Gebäudetechnik und Energie an der Hochschule Luzern die Forschungsgruppe Nachhaltiges Bauen und Erneuern leitet. Im Rahmen der Fachkonferenz Effiziente Gebäude 2019 stellt er die Studie ClimaBau – Planen angesichts des Klimawandels vor. In der Studie wird der Einfluss des Klimawandels auf den Energiebedarf und die Behaglichkeit von Wohnbauten in der Schweiz bis ins Jahr 2100 untersucht.

Wir haben Gianrico Settembrini drei Fragen zu den Studienerkenntnissen und deren Bedeutung für das zukünftige Planen und Bauen gestellt.

Auf welchen Klimaszenarien und -daten basiert die Studie und wie wirken sich die dort dargestellten Klimaveränderungen auf Wohnbauten aus?


Zur Durchführung der Untersuchung mit klimatischen Bedingungen bis ins Jahr 2100 mussten zukünftige Klimareihen in ein Dateiformat gebracht werden, welches die Simulationsumgebung einlesen konnte. Basierend auf den Berichterkenntnissen aus den «Schweizer Klimaszenarien CH2011» (www.ch2011.ch) wurden in Zusammenarbeit mit Fachleuten von MeteoSchweiz, der ETH Zürich und der Universität Basel projektspezifische Klimadaten entwickelt, die den Klimawandel und den städtischen Wärmeinseleffekt abbilden konnten. Dazu wurden für verschiedene Standorte in der Schweiz Klimadatensätze aus Messungen verwendet und mit Projektionen aus Klimamodellen kombiniert. Nach der Evaluation der unterschiedlichen Klimaszenarien für das 21. Jahrhundert folgte die Studie in erster Linie dem IPCC Szenario A1B, welches einem mittleren Treibhausgasszenario entspricht (Zunahme der Treibhausgasemissionen bis 2050, danach eine leichte Abnahme).

Welche Maßnahmen empfehlen Sie, um den thermischen Komfort sowie die Behaglichkeit von Wohnräumen auch in Zukunft zu gewährleisen?


Die Studie zeigt, dass das Nutzerverhalten einen großen Einfluss auf die Behaglichkeit haben kann. Wird der bewegliche Sonnenschutz konsequent eingesetzt und in der Nacht gezielt durchgelüftet, können Überhitzungsstunden wirksam reduziert werden. Dies ist aber nicht immer möglich: Oftmals sind die Bewohner abwesend oder die Fenster können beispielsweise aufgrund der Schallbelastung oder des Einbruchschutzes nicht uneingeschränkt geöffnet werden. Damit Wohnbauten den Folgen des Klimawandels standhalten können, müssen sie deshalb so konzipiert werden, dass eine einwandfreie Bedienung des Sonnenschutzes und effiziente Nachtkühlung sichergestellt werden kann. Eine Lösung dafür könnte die Automatisierung der Systeme bilden.

Als entscheidende Parameter hinsichtlich der zukünftigen Behaglichkeit und des Klimakältebedarfs wurden in der Studie in erster Linie der Fensteranteil und die Speicherfähigkeit identifiziert. Solche Parameter sind in der ersten Entwurfsphase eines Projektes optimierbar. Kann bei einem Gebäude der Klimakältebedarf durch architektonische Maßnahmen nicht mehr eingedämmt werden, gilt es hingegen energetisch möglichst effizient zu kühlen. Dies kann beispielsweise durch «Free Cooling» (Abgabe der Wärme an die Luft während der Nacht) oder «Geocooling» (Abgabe der Wärme an das Erdreich über dieselben Erdsonden, die im Winter Umgebungswärme für die Wärmepumpen liefern) erfolgen.

Welche Herausforderungen ergeben sich in Anbetracht der Studienergebnisse zukünftig für Planerinnen und Planer?


Für die nachhaltige Planung bedeutet der Klimawandel auch ein Paradigmenwechsel: Bisher stand die Winterbetrachtung, und somit die Heizwärme, im Vordergrund. Der Sommer, und somit die Behaglichkeit in Gebäuden, wird aber in Zukunft markant an Bedeutung gewinnen. Die Optimierung des Gesamtenergiebedarfs sowie der Behaglichkeit hat mit Blick auf den Lebenszyklus von Gebäuden zu erfolgen. Bei deren Planung sind deshalb unbedingt auch Klimadaten der Zukunft mit zu berücksichtigen. Insbesondere bei der Nachtkühlung könnten innovative Konzepte zielführend sein. Interessant könnte der Blick auf die traditionelle Architektur in Klimazonen sein, welche heute unsere klimatischen Bedingungen der Zukunft aufweisen. 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Settembrini!


Weitere praxistaugliche Empfehlungen für den Entwurf, die Konstruktion und technische Ausstattung von künftigen Neubauten präsentiert Gianrico Settembrini auf der Effiziente Gebäude 2019 am 05. September in der HafenCity Universität. Das vollständige Konferenzprogramm finden Sie auf: https://www.zebau.de/fortbildung/effiziente-gebaeude-2019/