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Klimaneutrales und nachhaltiges Bauen – DIE Herausforderung für junge Planer

Der vom BMWSB und dem BBSR ausgelobte Themenwettbewerb „10 Jahre Effizienzhaus Plus“ im Herbst 2021 hatte der hochschule 21 in Buxtehude einen zusätzlichen Impuls für die Lehre im Bereich nachhaltiges Bauen ausgelöst. Das Zusammenspiel der Auslobung mit dem Neuzugang eines engagierten Hochschullehrers und vieler motivierter junger Studierender hatte der hochschule 21 gleich drei Preise beschert. Die Redaktion fragte nach den Hintergründen und Zusammenhängen in der Hochschule nach.

Ein Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Ingo Hadrych, Präsident der Hochschule 21 Buxtehude und Prof. Martin Kusic, Lehrgebiet Bauphysik, Gebäudetechnik und Entwerfen an der Hochschule 21 Buxtehude:

Redaktion: Herr Präsident, die hochschule 21 entwickelt sich als private Hochschule mit einem dualen Studienangebot für Architekten und Ingenieure in Niedersachsen. Wie bewerten Sie die Entwicklung des Bildungsangebotes für Studierende im Bereich des klimaneutralen und nachhaltigen Bauens?

Prof. Dr.-Ing. Ingo Hadrych: Eingangs möchte ich eine kleine Ergänzung vornehmen: Neben dem Fachbereich Bauwesen haben wir auch im Fachbereich Gesundheit mit den Studiengängen Physiotherapie und Pflege sowie im Fachbereich Technik mit den Studiengängen Ingenieurwesen Mechatronik und Ingenieurwesen Gebäudetechnik duale Studienangebote. Gerade der Studiengang Gebäudetechnik geht dann auch schon sehr deutlich in die Richtung des klimaneutralen und nachhaltigen Bauens, denn zumindest im Betrieb von Gebäuden hängt die Klimaneutralität in hohem Maße an einer intelligenten und gut geplanten Gebäudetechnik. In diesem Sinne kann ich ein solches Studium auch immer nur als eine Ausbildung in einem Themengebiet bewerben, das uns alle im Bauwesen zukünftig noch sehr umtreiben wird. Die aktuelle Entwicklung im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise und einer möglichen Energiekrise macht dies ja auch noch einmal überdeutlich. Was ansonsten das Thema Nachhaltigkeit zum Beispiel auch in Bezug auf die graue Energie betrifft, so sind wir gerade dabei, dieses Thema verstärkt in den Curricula unserer Studiengänge zu verankern. Aus meiner Sicht muss die Klimaneutralität und Nachhaltigkeit neben dem klassischen Dreiklang aus Gestaltung/Technik, Kosten und Terminen als weitere feste Zielgröße in der Ausbildung in Architektur und Bauingenieurwesen verankert werden.

Redaktion: Mit Blick auf die nationalen Klimaziele und den Druck im Gebäudebereich und den Fachkräftemangel: brauchen wir nicht einen massiven Ausbau der Nachwuchsförderung und qualifizierten Ausbildung? Wie könnte das gelingen?

Prof. Dr.-Ing. Ingo Hadrych: Sicherlich brauchen wir einen deutlichen Ausbau der Ausbildung von Nachwuchskräften im Baubereich, dies aber übrigens auch ohne das Thema Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Lange war der Baubereich als Arbeitsbereich nicht besonders attraktiv und zum Teil eben auch von tiefen Tälern in der wirtschaftlichen Entwicklung geprägt. Dementsprechend wenige Studierenden und Absolventen hatten wir in diesem Bereich. Ich erinnere mich daran, dass Anfang der 2000er Jahre zum Teil Vorlesungen im Bauwesen an Hochschulen mangels Beteiligung nicht zustande gekommen sind. Dies hat in den Firmen und Büros dazu geführt, dass eine ganze Generation von Nachwuchskräften fehlt, jetzt zunehmend ältere Mitarbeitende in den Ruhestand gehen und man händeringend Nachwuchskräfte sucht, die von den Hochschulen kaum in der notwendigen Zahl geliefert werden können. Dazu kommt, dass es sich bei den entsprechenden Studiengängen um Ingenieurstudiengänge handelt, die nicht bei jeder Schülerin oder jedem Schüler auf breites Interesse stoßen, als eher schwierig und anspruchsvoll gelten und gerade in den Bereichen des Bauwesens und der Gebäudetechnik als vermeintlich „unspannend“ gelten. Ich versuche hier gerade bei unserem Studiengang Gebäudetechnik immer genau mit dem Thema Klimaschutz Werbung bei Schülerinnen und Schülern zu machen. Nach dem Motto: Über Fridays for Future Demonstrationen die breite Masse der Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren ist eine wichtige Sache; wenn man dann aber wirklich etwas bewegen und verändern will, dann geht dies bei unseren Gebäuden und Bauten vor allem über die Technik und dafür ist ein Studium in diesem Bereich der richtige Schritt.

Redaktion: Lieber Prof. Martin Kusic, zunächst erstmal herzlichen Glückwunsch zur Berufung als ordentlicher Professor an der hochschule 21 in Buxtehude. Im letzten (Einführungs-) Semester haben Sie sich gleich mit 17 Studierenden dem Ideenwettbewerb Effizienzhaus Plus gewidmet, wo dann 3 Teams erfolgreich teilgenommen haben. Wie haben Sie diesen Erfolg vorbereitet?

Prof. Martin Kusic: Danke, ich freue mich jedes Mal wenn ich in der Hochschule bin. Ich mag das Gebäude und die spannende Fächer-Kombi, den starken und praxisorientierten und mit der Region vernetzten Bau-Bereich und auch mit den Medizinern/Physiotherapeuten möchte ich gerne Projektideen aus Planung und Architektur weiter vorantreiben, Interdisziplinarität ist mein Ansinnen – auf allen Ebenen, dazu vielleicht später mehr. 

Vorbereitet wurde dieser Erfolg letztlich vor allem durch die Studierenden, also dem „Hunger“ der jungen Generation an der uns allen bevorstehenden Aufgabe des ressourcenschonenden und klimaneutralen Bauens mitzuarbeiten. Ursprünglich hatte ich schlicht ein (interdisziplinäres) Wahlfach zu diesem Thema geplant und war von schlicht der Quantität der Anmeldungen aus den Bereichen Architektur, Bauingenieurwesen sowie auch des Wirtschaftsingenieurwesens Bau & Immobilien schier überrollt. Dann entdeckte ich die Auslobung über die einschlägigen Newsletter der ZEBAU Hamburg bzw. dem IKzB in Berlin. 

Dieser Wettbewerb wurde also Anfang September ausgelobt, also kurz nach Beginn meines Vertrages als Hochschullehrer an der Hochschule 21 und ganz kurz vor Beginn der Vorlesungszeit am 21.09.21. Ich hatte 150 Anmeldungen und vielleicht 20 Plätze.

Also schickte ich diese Auslobung an die zum Wahlfach angemeldeten Studierenden raus und fragte, wer Interesse hat, sich dieser Aufgabe zu stellen und – in der kurzen Zeit bis zur Abgabe Ende Oktober– einen hohen Workload zu haben, das ist halt so bei Wettbewerben.

So formten sich schnell Teams, die auch sehr schnell Projektideen hatten. Meine Aufgabe war es, diese Ideen der am Ende 17 Studierenden zu kanalisieren und in ihren jeweils starken Positionen zu stützen und zu befördern, dabei fachlichen Input zu liefern, Kontakte herzustellen, Aufgaben zu verteilen und Tools anzubieten, beispielsweise zur Ökobilanzierung. Vor allem aber zu motivieren und auch zu fordern. Wir hatten Konsultationen in hoher Frequenz, auch per WhatsApp und am Wochenende. 

Dann sind wir auch nach Berlin gefahren und haben das Effizienzhaus Plus, also die Vorlage von vor 10 Jahren, uns angesehen, dort Vorträge gehört, diskutiert, reflektiert.

Kurz vor Abgabe hatten wir zwei Vorstellungsrunden der Projekte: Die Erste war: Rezeption als stille Jury und Protokollierung einer Wertung, insbesondere, ob das Projekt verstanden wird. In einer zweiten Runde musste jede Gruppe auch nochmal gegenseitig präsentieren und Kritik über sich ergehen lassen. Hier wurden weitere Ideen, zum Beispiel: Hubspeicher, Wasserstofftankstelle … noch weiter in den Vordergrund genommen. Auch waren Layout und Rezeptionsfähigkeit eine gute Übung für die Studierenden, auch für weitere Projekte, auch in deren Betrieben, wir sind ja eine duale Hochschule.

So war es also eine glückliche Fügung, dass ich mit engagierten Studierenden mein erstes Semester bestreiten konnte. Wer sich der Wettbewerbsidee gewachsen sah, ist soweit ich weiß auch zum Zug gekommen. Das ist auch nicht jedermanns Sache. Meine Arbeit bestand weiterhin darin, die Bälle in der Luft zu halten, also aufmerksam zuzuhören und vor Sackgassen-Ideen zu warnen/schützen.

Redaktion: Wie geht es jetzt weiter mit den eingereichten Projekten und welchen Impuls hat der Wettbewerb Effizienzhaus Plus an Ihrer Hochschule ausgelöst?

Prof. Martin Kusic: Ich denke die Studierenden waren erstmal froh, als der Spuk vorbei war, es fiel ja recht nah an die anstehenden Abgaben/Prüfungen. Aber klar, jetzt geht es darum die Arbeit sichtbar zu machen. 

Redaktion: Die Hansestadt Buxtehude soll schrittweise bis 2035 „klimaneutral“ werden und damit anderen Städten wie Oldenburg oder Hannover folgen, die das gleiche Ziel haben. Welchen Beitrag kann die hochschule 21 dafür leisten?

Prof. Dr.-Ing. Ingo Hadrych: Die hochschule 21 kann einfach mit ihrer Expertise einen Beitrag leisten. Wir haben mit dem Kollegen Martin Kusic einen weiteren Kollegen bekommen, der hier Dinge beisteuern kann, haben schon seit einiger Zeit Experten im Hause zu den Themen Gebäudetechnik, Bauphysik und innovative Baustoffe und werden uns zum Herbst mit einer weiteren Professur verstärken, die ein Stück weit in Richtung Klimaresilienz und Klimafolgen geht. Wir können damit aus meiner Sicht auf unserem Campus in Buxtehude ein nicht unerhebliches Maß an Expertise bündeln und diese in entsprechende Projekte zusammen mit unseren Studierenden einbringen, getreu nach unserem Leitbild als Hochschule in der Region für die Region.

Prof. Martin Kusic: Ich sehe die Hochschule in einer dienenden Funktion. Wir bilden für die Zukunft aus. Das heißt wir stellen die Werkzeuge und Befähigungen zukünftiger Ingenieure zu Verfügung. Durch die direkte Anwendung im Arbeitssektor der Studierenden werde ich sicher Feedbacks bekommen. 

Red.: Vielen Dank für das Gespräch.

Näheres zum Wettbewerb und den Preisträger:innen ist auf www.zukunftbau.de einsehbar.