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„Zu warm, zu kalt, stickig, zu laut“

Ein Gespräch mit dem Energieberater Uwe ter Vehn über Passivhausschulen im Sommer

 

1. Sie haben im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesbauministeriums das Raumklima an Passivhausschulen während der Sommermonate erforscht. Gemeinsam mit dem UfU (Berlin) und dem energiebüro (Bielefeld) haben Sie mehr als 20 Schulen in Niedersachsen, Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen intensiv befragt und untersucht. Können Sie uns Näheres zu den Hintergründen und Ergebnissen der Studie erzählen? 

Aus vorausgehenden Projekten wussten wir von der Unzufriedenheit der Nutzer mit dem "Raumklima" von neu gebauten Passivhausschulen oder energetisch stark sanierten Schulen und Kitas. Auch die am Bau beteiligten Behörden, Planer und Firmen waren überrascht von der  eindeutigen Ablehnungshaltung vieler Nutzer gegenüber Passivhäusern und Hocheffizienzgebäuden. Vorwiegend wurden die Nutzer dann für die Probleme verantwortlich gemacht. Wir haben aber in den meisten Objekten technische Mängel als Ursache für die Probleme gefunden. Die Mängel sind in High-Tech-Gebäuden aber eben komplexer Natur und in einfachen Bauabnahmen nicht zu finden. Rückmeldungen der Nutzer wie „zu warm, zu kalt, stickig, zu laut“ eignen sich ohne umfangreiche Untersuchungen nicht zur Mängelbeseitigung. 

2. In welchen Ursachen, sowohl technischer als auch menschlicher Natur, sehen Sie die tendenziell hohe Unzufriedenheit der Nutzer begründet und welche Mängel sind besonders hervorzuheben? 

Wir konnten nachweisen, dass es in den meisten untersuchten Gebäuden im Sommer deutlich zu warm ist. Dabei wurde als besonders störend empfunden, wenn die Räume zu Unterrichtsbeginn schon über 25 °C aufweisen, es draußen aber gleichzeitig angenehm frisch ist. Die Systeme der aktiven Nachtkühlung über die Lüftungsanlagen waren entweder ungewollt inaktiv (Regelungsfehler) oder blieben ohne große Wirkung, z.B. durch eine zu hohe Mindestzulufttemperatur der Lüftungsanlage. Die Luftqualität der zu warmen Räume wurde trotz geringer CO2-Werte (<1500 ppm), welche einen guten Luftaustausch anzeigen, als „stickig“ oder „verbrauchte Luft“ bewertet. Aus diesem Ergebnis lässt sich ableiten, dass zu warme Luft fälschlicherweise mit einer schlechten Luftqualität gleichgesetzt wird. 

3. Betrifft diese Unzufriedenheit bezüglich des Raumklimas nur Passivhausschulen? 

Eigentlich haben wir keine spezifischen Passivhaus- Probleme gefundenen, sondern Schwierigkeiten mit der Ausführung und dem Betrieb von High-Tech-Gebäuden. Politisch wird das aber gerne der Passivhaus-Idee angelastet. 

4. Welche Maßnahmen müssten zukünftig ergriffen werden, um das Raumklima in Passivhausschulen während der Sommermonate nachhaltig zu verbessern? 

Wir brauchen auf Schulen angepasste veränderte Steuerungen für die Außenjalousien, bei denen z.B. der Fahrbetrieb auf die Pausen verlegt wird. Das wäre eine wichtige Maßnahme zur Erhöhung der Akzeptanz der automatischen Jalousiensteuerungen. Es fehlen auch meistens Möglichkeiten nachts passiv zu lüften (einbruchssicher, wetterfest) und Möglichkeiten zur passiven Querlüftung in Sporthallen. Mit Deckenluken, die auch nachts sicher zu öffnen sein sollten (Einbruchschutz und Wetterstation) kann man viele Sporthallen nachrüsten. Und dann gibt es da noch die vielen unsinnigen Regelungseinstellungen, die eine Abkühlung in den Sommermonaten verhindern. Wir sollten uns als Ziel auch nicht eine Quote setzen wie oft ein Grenzwert überschritten wird, sondern dass wir stets das Beste technisch mögliche, aber auch energetisch sinnvollste daraus machen. 

Vielen Dank für das Gespräch! Uwe ter Vehn ist Energieberater bei der Werk-statt-Schule e.V.

Mehr zum Thema von Uwe ter Vehn am 10. Oktober auf der Fachtagung "Effiziente Gebäude 2017".